Zusammenfassung
Die Psychoonkologie (psychosoziale Onkologie) befasst sich insb. mit den psychosozialen Aspekten einer Krebserkrankung. Im Fokus steht die Unterstützung der Patient:innen und ihres Umfelds in verschiedenen Krankheitsphasen.
Alle Personen, die beruflich in die Behandlung von Krebspatient:innen involviert sind, sollten psychoonkologische Basiskompetenzen aufweisen.
Definition
-  Interdisziplinäres Arbeitsgebiet  [1][2] 
- Ziel: Unterstützung der Patient:innen und ihres Umfelds in verschiedenen Krankheitsphasen einer Krebserkrankung
 - Fokus: Psychosoziale Aspekte mit potenziellem Einfluss auf körperliches und psychisches Wohlbefinden
 
 
Diagnostisches Vorgehen
Screening auf psychosoziale Belastung [2]
- Bei allen onkologischen Patient:innen
 - Möglichst früh und wiederholt
 
Empfohlene Screeninginstrumente [2][3]
Weiterführende Diagnostik [2]
-  Indikation 
- Positives Screening und/oder
 - Angabe von Unterstützungsbedarf, bspw. 
- Umgang mit negativen Gefühlen wie 
- Angst (u.a. Progredienzangst ) [3]
 - Ungewissheit
 - Kontrollverlust
 - Hoffnungslosigkeit
 - Sorgen bzgl. nahestehender Personen
 
 - Umgang mit körperlichen Beschwerden wie
 - Beratung zu Themen der sozialen Sicherung
 
 - Umgang mit negativen Gefühlen wie 
 
 -  Vorgehen 
- Psychosoziale Belastung abklären und entsprechende Unterstützung/Behandlung anbieten
 - Psychische Komorbiditäten erfassen [2]
 
 
Unabhängig vom Belastungsgrad sollte allen Patient:innen und ihren Bezugspersonen (möglichst frühzeitig) eine psychosoziale Beratung angeboten werden! [2]
Insb. bei anhaltenden Schmerzen, starker körperlicher Symptombelastung oder Fatigue sollen die psychische Belastung und das Vorliegen einer psychischen Störung abgeklärt werden! [2]
Psychoonkologische Interventionen
- Definition: Nicht-medikamentöse Maßnahmen zur Reduktion psychosozialer Belastung und zur Verbesserung der Lebensqualität [2]
 - Einsatz: Individuell und entsprechend der Patientenpräferenz bestimmen
 
Bei syndromaler Belastung oder Anpassungsstörung [2]
- Psychoedukation
 - Psychosoziale Beratung
 - Internetbasierte Interventionen
 - Entspannungsverfahren
 - Kunsttherapie
 - Musiktherapie
 -  Psychotherapie 
- Im Einzel- oder Gruppensetting
 - Als Paar- oder Familienintervention
 - In der Palliativphase
 
 
Bei anderer psychischer Erkrankung [2]
- Behandlung entsprechend jeweiliger Leitlinien
 
Psychopharmakotherapie
Indikationsstellung [2]
- Interdisziplinäre Absprache
 - Regelmäßige Risiko-Nutzen-Prüfung
 - Besonders zu berücksichtigen [1] 
- Werden tumor- und behandlungsassoziierte Symptome möglichst gut kontrolliert?
 - Werden (regelmäßig) psychotrope Substanzen konsumiert? Gibt es Entzugserscheinungen?
 - Liegen hirnorganische Tumorfolgen vor ? Werden diese (gut) behandelt?
 - Werden Medikamente eingenommen, die psychische Nebenwirkungen verursachen können?
 
 
Besonders relevante Risiken [2]
- Pharmakokinetisches Interaktionspotenzial (bspw. mit Tamoxifen )
 -  Senkung der Anfallsschwelle (bei zerebralen Metastasen, malignen ZNS-Tumoren)  
- 
Antidepressiva mit hohem Risiko 
- Trizyklika
 - Maprotilin
 - Bupropion (kontraindiziert bei ZNS-Tumoren)
 
 
 - 
Antidepressiva mit hohem Risiko 
 -  Verstärkung unerwünschter Arzneimittelwirkungen, bspw. 
- Anticholinerge Nebenwirkungen bei Kombination mit Opioiden
 - QTc-Verlängerung bei Elektrolytstörung im Rahmen der onkologischen Erkrankung/Behandlung
 
 -  Blutungsrisiko (bei Einsatz von Antidepressiva)  
- Hohes Risiko: Fluoxetin, Sertralin, Paroxetin
 - Geringes Risiko: Bspw. Bupropion, Agomelatin, Tianeptin
 - Siehe auch: Wirkmechanismen von Antidepressiva
 
 
Die gleichzeitige Einnahme von CYP2D6-Inhibitoren (bspw. Duloxetin, Fluoxetin) reduziert die antitumorale Wirksamkeit von Tamoxifen!
Hinweise für die Kommunikation mit Krebspatient:innen
Patientenzentrierte Kommunikation [2]
- Beschreibung: Kommunikatives Verhalten unter Berücksichtigung des Individuums im Rahmen der aktuellen Situation
 -  Wichtige Prinzipien, u.a. [2] 
- Für ausreichend Zeit und Ruhe im Gespräch sorgen
 - Subjektiven Informationsstand der Patient:innen erfragen
 - Informationen klar und ehrlich vermitteln (mit möglichst einfacher Sprache)
 - Zum Fragenstellen und Gefühlezeigen ermutigen
 - Patientenseitige Informationsaufnahme sicherstellen/erfragen
 - Wenn erwünscht: Bezugspersonen einbeziehen
 
 -  Effekte 
- Entscheidungskonflikte↓
 - Informiertheit der Patient:innen↑
 - Zufriedenheit der Patient:innen↑
 - Therapieadhärenz↑
 - Selbstwirksamkeit↑
 - Lebensqualität↑
 
 
Alle Personen, die in der Onkologie arbeiten, sollten an einem qualitätsgesicherten Training für kommunikative Fähigkeiten teilnehmen! [2]
Das Bedürfnis nach Information bzw. aktiver Beteiligung an der Entscheidungsfindung ist individuell unterschiedlich! [2]
Spezifische Belastungen
Nach bestimmten Behandlungen [2]
Hochdosis-Chemotherapie
-  Mit allogener Stammzelltransplantation 
- Oft unerfüllbarer Kinderwunsch
 -  Graft-versus-Host-Disease: Nach außen sichtbare Veränderungen führen potenziell zu 
- Sozialem Rückzug
 - Scham
 - Reduziertem Selbstwert
 
 
 -  Mit Ganzkörperbestrahlung 
- Germinalzellaplasie (irreversibel)
 - Häufig: Ovarialinsuffizienz
 
 
Kehlkopfentfernung
- Behandlungsbedingte Folgen (insb. gestörte Kommunikationsfähigkeit) führen potenziell zu 
- Deutlicher Beeinträchtigung des (sozialen) Lebens
 - Risiko der sozialen Isolation
 - Reduziertem Selbstwert
 
 
Lungenresektion
- Behandlungsbedingte Folgen (insb. reduzierte körperliche Belastbarkeit) führen potenziell zu 
- Gestörtem Körperbild und Selbstkonzept
 
 
Bei bestimmten Diagnosegruppen [2]
Gynäkologische Tumoren
- Behandlungsbedingte Folgen, u.a. 
- Dyspareunien
 - Lubrikationsstörungen
 - Libido↓
 - Störungen des Körperbilds
 
 
Urologische Tumoren
- Behandlungsbedingte Folgen, u.a. 
- Verlust/Störung der Erektionsfähigkeit
 - Schmerzen bei der Ejakulation
 - Libido↓
 - Störungen des Körperbilds
 
 
Hirntumoren
- Symptome betreffen die Identität der Patient:innen
 - Bereits in frühen Erkrankungsstadien: Hohe Belastung (auch im sozialen Umfeld)
 
Gastrointestinale Tumoren
- Behandlungsbedingte Folgen (bspw. Meteorismus, Durchfall, Stoma) führen potenziell zu 
- (Erlebtem) Kontrollverlust bzgl. Ausscheidungsfunktionen
 - Deutlicher Beeinträchtigung des (sozialen) Lebens aufgrund von 
- Scham
 - Verunsicherung
 
 
 
Bei bestimmten Altersgruppen [2]
Jugendliche und junge Erwachsene (AYAs )
- Beeinträchtigungen bzgl. 
- Familienplanung
 - Autonomie(-Entwicklung)
 - (Berufs‑)Ausbildung
 - Identität
 - Körperbild
 
 
Ältere Personen
- Suizidrate↑
 - Oft vorhandene Komorbiditäten können Belastung steigern
 
Bei Langzeitüberlebenden (Cancer Survivors) [2]
- Beeinträchtigte Lebensqualität: Oft auch nach vielen Jahren noch deutlich 
- Psychisch: Bspw. (Rezidiv‑)Angst, Depression
 - Körperlich: Bspw. kognitive Einschränkungen, Fatigue
 - Funktionell: Bspw. Mobilitätseinschränkung
 
 
Langzeitüberlebende erhalten oft keine oder nur unzureichende Hilfe bei der Bewältigung ihrer Beeinträchtigungen!