Übersicht
Initiative
Die Initiative „Klug entscheiden“ wurde 2015 von der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) ins Leben gerufen, inspiriert durch die amerikanische „Choosing Wisely“-Initiative. Ihr Ziel ist es, durch Aufklärung über Über- und Unterversorgung die medizinische Versorgung zu verbessern.
„Klug entscheiden“ fokussiert auf diagnostische und therapeutische Maßnahmen, die entweder zu häufig oder zu selten angewendet werden – obwohl sie entweder nicht nötig oder tatsächlich erforderlich wären. Ziel ist es, die Qualität der Versorgung zu steigern.
Die „Klug entscheiden“-Empfehlungen entstehen durch einen transparenten Prozess, der Vorschläge aus Fachgesellschaften sowie Konsensuskonferenzen mit Experten und Patientenvertretern umfasst. Diese Empfehlungen werden regelmäßig aktualisiert, um sicherzustellen, dass sie auf dem neuesten Stand der medizinischen Versorgung sind.
Die Empfehlungen basieren auf wissenschaftlicher Evidenz und bestehenden Leitlinien.
Weitere Schwerpunkte
- DGIM - Klug entscheiden in der Kardiologie
- DGIM - Klug entscheiden in der Infektiologie
- DGIM - Klug entscheiden in der Endokrinologie
- DGIM - Klug entscheiden in der Pneumologie
- DGIM - Klug entscheiden in der Angiologie
- DGIM - Klug entscheiden in der Rheumatologie
- DGIM - Klug entscheiden in der Gastroenterologie
- DGIM - Klug entscheiden in der Nephrologie
- DGIM - Klug entscheiden in der Hämatologie und medizinischen Onkologie
- DGIM - Klug entscheiden in der Geriatrie
- DGIM - Klug entscheiden in der Palliativmedizin
Positiv-Empfehlungen
Strukturierte klinische Risikoeinschätzung bei Patienten mit Synkope
Patienten mit Synkope sollen in der Notaufnahme primär mittels einer strukturierten klinischen Risikoeinschätzung und eines EKG beurteilt werden. Bei niedrigem Risiko können diese Patienten ohne weitere Diagnostik oder Überwachung in die ambulante Weiterbehandlung entlassen werden.
- Nach den aktuellen Leitlinien der European Society of Cardiology sollte das Management von Patienten mit Synkope in der Notaufnahme auf dem Konzept der Risikobeurteilung beruhen (1).
- Es ist dabei wichtig, initial andere Formen der transienten Bewusstlosigkeit auszuschließen.
- Dabei wird klar empfohlen, dass Patienten mit Merkmalen eines niedrigen Risikos, welche wahrscheinlich eine Reflex-, situative oder orthostatische Synkope erlitten haben, direkt aus der Notaufnahme entlassen werden können (1–4).
- Die strukturierte klinische Risikoeinschätzung beruht dabei auf den Charakteristika des synkopalen Ereignisses selbst, der Anamnese, der körperlichen Untersuchung (ggf. inclusive der Durchführung eines Stehtests mit Blutdruckmessungen im Liegen sowie im Stehen) und der EKG-Beurteilung.
- Patienten, die eine Reflex-, oder orthostatische Synkope haben und ein niedriges Risiko aufweisen, können mit diesen einfachen Mitteln präzise eingeschätzt und gegebenenfalls sicher entlassen werden.
1. Brignole M, Moya A, de Lange FJ, et al: ESC Scientific Document Group: 2018 ESC Guidelines for the diagnosis and management of syncope. Eur Heart J 2018; 39 (21): 1883–948.
2. Möckel M, Catherine Janssens KA, Pudasaini S, Garcia-Castrillo Riesgo L, Moya Torrecilla F, Golea A, et al. The syncope core management process in the emergency department: a consensus statement of the EUSEM syncope group. Eur J Emerg Med. 2024;31:250-9.
3. Transient loss of consciousness (‘blackouts’) in over 16s. London: National Institute for Health and Care Excellence (NICE); 2023 Nov 21. (NICE Clinical Guidelines, No. 109.) Available from: www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK555202/
4. Diehl R. et al., Synkopen, S1-Leitlinie, 2020, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie; (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien (abgerufen am 27.01.2025)
Notfallsonografie bei Reanimation
Während oder nach einer Reanimation soll schnellstmöglich eine Notfallsonografie zur Diagnostik behebbarer Ursachen eines Herz-Kreislauf-Stillstandes erfolgen
- Bei Patienten, die während oder nach einer Reanimation in einer Notaufnahme aufgenommen werden, sollen reversible Ursachen eines Herz-Kreislauf-Stillstandes rasch diagnostiziert werden und die Patienten strukturiert untersucht werden (1–2).
- Die Notfallsonografie des Herzens, der Lunge und des Abdomens ist dabei von zentraler Bedeutung, kann unmittelbar auch unter Reanimationsmaßnahmen erfolgen und lässt sich in standardisierter Form erlernen (3–4).
- Sie dient zur Beurteilung des linken und rechten Ventrikels, zum Ausschluss eines Perikardergusses, einer Hypovolämie, von freier intraabdomineller Flüssigkeit und eines Pneumothorax sowie zur Beurteilung der Bauchaorta (5–13).
- Befunde der Notfallsonografie können zu unmittelbar lebensrettenden Maßnahmen wie einer Perikardpunktion, Entlastung eines Spannungspneumothorax oder Lysetherapie bei Rechtsherzversagen infolge einer Lungenarterienembolie beitragen (5–13).
1. Soar J, Böttiger BW, Carli P, Couper K, Deakin CD, Djärv T, et al. European Resuscitation Council Guidelines 2021: Adult advanced life support. Resuscitation. 2021;161:115-51
2. Nolan JP, Sandroni C, Böttiger BW, Cariou A, Cronberg T, Friberg H, Genbrugge C, Haywood K, Lilja G, Moulaert VRM, Nikolaou N, Olasveengen TM, Skrifvars MB, Taccone F, Soar J. European Resuscitation Council and 3. European Society of Intensive Care Medicine guidelines 2021: post-resuscitation care. Intensive Care Med. 2021 Apr;47
3. Michels G, Zinke H, Möckel M, et al.: Empfehlungen zur Ultraschallausbildung in der internistischen Intensiv- und Notfallmedizin: Positionspapier der DGIIN, DEGUM und DGK. Med Klin-Intensivmed 2017; 112 (4): 314–9.
4. Michels G, Greim C-A, Krohn A et al. (2023) Empfehlungen zur Sonografieausbildung in der prähospitalen Notfallmedizin (pPOCUS): Konsensuspapier von DGINA, DGAI, BAND, BV-ÄLRD, DGU, DIVI und DGIIN. Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 2023;118:39-46
5. Reynolds JC, Nicholson T, O'Neil B, Drennan IR, Issa M, Welsford M. Diagnostic test accuracy of point-of-care ultrasound during cardiopulmonary resuscitation to indicate the etiology of cardiac arrest: A systematic review. Resuscitation. 2022;172:54-63.
6. Wong A, Vignon P, Robba C. How I use ultrasound in cardiac arrest. Intensive Care Medicine. 2023;49:1531-4.
7. Goudie A, Blaivas M, Horn R, Lien W-C, Michels G, Wastl D, et al. Ultrasound during Advanced Life Support—Help or Harm? Diagnostics. 2024;14:593.
8. Truhlář A, Deakin CD, Soar J, et al.: European Resuscitation Council Guidelines for Resuscitation 2015: Section 4. Cardiac arrest in special circumstances. Resuscitaton 2015: 148–201.
9. Perera P, Mailhot T, Riley D, Mandavia D: The RUSH exam: Rapid Ultrasound in SHock in the evaluation of the critically lll. Emerg Med Clin North Am 2010; 28: 29–56.
10. Breitkreutz R, Walcher F, Seeger FH: Focused echocardiographic evaluation in resuscitation management: concept of an advanced life support-conformed algorithm. Crit Care Med 2007; 35: S150–61.
11. Via G, Hussain A, Wells M, et al.: International Evidence-Based Recommendations for Focused Cardiac Ultrasound. J Am Soc Echocardiogr 2014; 27: 683.e1–33.
12. Levitov A, Frankel HL, Blaivas M, et al.: Guidelines for the Appropriate Use of Bedside General and Cardiac Ultrasonography in the Evaluation of Critically Ill Patients Part II: Cardiac Ultrasonography. Crit Care Med 2016; 44: 1206–27.
13. Tsou P-Y, Kurbedin J, Chen Y-S, et al.: Accuracy of point-of-care focused echocardiography in predicting outcome of resuscitation in cardiac arrest patients: A systematic review and meta-analysis. Resuscitation 2017; 114: 92–9.
Diagnostik bei Lungenembolieverdacht
Bei Patienten mit Verdacht auf Lungenembolie (ohne Schock) soll bei niedrigem Risiko-Score eine D-Dimer-Bestimmung und bei hohem Score eine CT-Pulmonalisangiographie/ Lungenszintigraphie erfolgen.
- Die Bestimmung von D-Dimeren dient dem kostengünstigen Ausschluss einer akuten Lungenembolie (1–2).
- Der D-Dimer-Test sollte nach aktuellen Leitlinienempfehlungen jedoch nur angewendet werden, wenn zuvor die klinische Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Lungenembolie als niedrig/mittel oder unwahrscheinlich eingeschätzt wurde (3–4).
- Hierfür sind Scores wie der Wells-Score oder der Geneva-Score etabliert.
- In dieser Situation besitzt der altersadjustierte D-Dimer-Test einen ausreichend hohen negativ prädiktiven Wert, um eine akute Lungenembolie oder tiefe Beinvenenthrombose unwahrscheinlich zu machen.
- Wenn die Wahrscheinlichkeit einer Lungenembolie dagegen als hoch eingeschätzt wird, sollte direkt eine computertomographische Pulmonalisangiographie (CTPA) eingesetzt werden, um durch die Labordiagnostik keine Zeit zu verlieren.
- Alternativ oder ergänzend kann auch eine Lungenszintigraphie eingesetzt werden, mit der vor allem periphere okkludierende Thrombembolien mitunter besser darstellbar sind.
- In der 2017 publizierten YEARS-Studie konnte durch Einsatz eines vereinfachten, nur aus 3 Kriterien bestehenden klinischen Scores in Kombination mit 2 unterschiedlichen D-Dimer-Schwellenwerten eine signifikante Reduktion der CTPA-Rate erreicht werden, ohne die Sicherheit der untersuchten Patienten signifikant zu gefährden (5–6).
- Bislang erscheint ein solches Vorgehen jedoch noch zu wenig validiert, um die aktuellen Leitlinienempfehlungen zu modifizieren.
- Der positive prädiktive Wert erhöhter D-Dimer-Werte ist dagegen niedrig, da diese auch bei einem weiten Spektrum anderer Erkrankungen (Malignome, entzündliche Erkrankungen, Blutung, Trauma, chirurgische Eingriffe, Nekrosen) und Schwangerschaft unspezifisch erhöht sein können (5–7).
- Bei klinischem Verdacht auf eine massive Lungenembolie mit Schock/ Hypotension oder gar Reanimation ist eine CT-Diagnostik oft nicht mehr möglich, sodass hier anhand klinischer und echokardiographischer Kriterien ggf. die Lyse-Indikation gestellt werden muss.
- Der Wells-Score stellt ein klinisches Assessment zur Abschätzung der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer Lungenembolie dar (3). In der Notaufnahme wird in der Regel die vereinfachte Version mit 2 Ausprägungen verwendet:
- Klinische Zeichen für eine tiefe Beinvenenthrombose: 1 Punkt
- Andere Diagnosen sind weniger wahrscheinlich: 1 Punkt
- Herzfrequenz > 100/min: 1 Punkt
- Operativer Eingriff oder Immobilisation in den letzten 4 Wochen: 1 Punkt
- Frühere Lungenembolie oder tiefe Beinvenenthrombose: 1 Punkt
- Hämoptyse: 1 Punkt
- Aktive Krebserkrankung: 1 Punkt
- 0–1 Punkte: Lungenarterienembolie (LuAE) ist unwahrscheinlich
- > 2 Punkte: LuAE ist wahrscheinlich
1. Crawford F, Andras A, Welch K, Sheares K, Keeling D, Chappell FM: D-dimer test for excluding the diagnosis of pulmonary embolism. Cochrane Database Syst Rev 2016; CD010864.
2. van EN, van der Hulle T, van EJ, et al.: Wells Rule and d-Dimer Testing to Rule Out Pulmonary Embolism: A Systematic Review and Individual-Patient Data Metaanalysis. Ann Intern Med 2016; 165: 253–61.
3. Konstantinides SV, Torbicki A, Agnelli G, et al.: Task force for the diagnosis and management of acute pulmonary embolism of the European Society of Cardiology (ESC). 2014 ESC guidelines on the diagnosis and management of acute pulmonary embolism. Eur Heart J 2014; 35: 3033–69, 3069a–k.
4. S2-Leitlinie: Venenthrombose und Lungenembolie: Diagnostik und Therapie 2015 [Internet]. [cited 16 October 2017]; Available from: www.awmf.org/leitlinien/detail/ ll/065–002.html.
5. van der Hulle T, Cheung WY, Kooij S, et al.: Simplified diagnostic management of suspected pulmonary embolism (the YEARS study): a prospective, multicentre, cohort study. Lancet Lond Engl 2017; 390: 289–97.
6. van der Pol LM, van der Hulle T, Cheung YW, et al.: No added value of the age-adjusted D-dimer cut-off to the YEARS algorithm in patients with suspected pulmonary embolism. J Thromb Haemost JTH 2017.
7. Giannitsis E, Mair J, Christersson C, et al.: How to use D-dimer in acute cardiovascular care. Eur Heart J Acute Cardiovasc Care 2017; 6: 69–80.
Lungenprotektive Beatmung
Zur Prophylaxe und Behandlung des akuten Lungenversagens beim Erwachsenen (ARDS) soll eine lungenprotektive Beatmung angewandt werden.
- Bei maschinell beatmeten Patienten kann durch eine „traditionelle“ Beatmungsstrategie mit hohen Atemzugvolumen von 10–15 ml/kg Körpergewicht ein beatmungsinduzierter Lungenschaden ausgelöst werden.
- Dieser kann durch eine „protektive“ Beatmung mit physiologischen Tidalvolumina von ca. 6 ml/kg (4-8 ml/kg) und einem endinspiratorischen Atemwegsdruck (PEI) ≤ 30 cm H2O signifikant vermindert werden.
- Bei Patienten ohne Vorschädigung der Lunge senkt eine protektive Beatmung die Häufigkeit pulmonaler Komplikationen.
- Hier sollte die Beatmung mit einem Tidalvolumen von 6 – 8 ml/kg Standard-KG erfolgen.
- Von besonderer Bedeutung und mit einer klaren Mortalitätssenkung verbunden ist die "protektive" Beatmung bei Patienten mit schon bestehendem ARDS.
- Die lungenprotektive Beatmung ist eine kostengünstige, ressourcenneutrale Maßnahme. Die entscheidende Voraussetzung für eine breite Anwendung ist eine entsprechende Schulung des intensivmedizinischen Behandlungsteams (1–4).
1. Adamzik M, Bauer A, Bein T et al. S3-Leitlinie Invasive Beatmung und Einsatz extrakorporaler Verfahren bei akuter respiratorischer Insuffizienz. https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/001-021.html (zugegriffen am 21.05.2024).
2. Sud S, Friedrich JO, Adhikari NKJ et al. Comparative Effectiveness of Protective Ventilation Strategies for Moderate and Severe Acute Respiratory Distress Syndrome. A Network Meta-Analysis. American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine 2021; 203: 1366-1377. DOI: 10.1164/rccm.202008-3039OC
3. Grasselli G, Calfee CS, Camporota L et al. ESICM guidelines on acute respiratory distress syndrome: definition, phenotyping and respiratory support strategies. Intensive Care Medicine 2023; 49: 727-759. DOI: 10.1007/s00134-023-07050-7
4. Gorman EA, O'Kane CM, McAuley DF. Acute respiratory distress syndrome in adults: diagnosis, outcomes, long-term sequelae, and management. Lancet 2022; 400: 1157-1170. DOI: 10.1016/s0140-6736(22)01439-8
Frühzeitige NIV bzw. CPAP bei akuter respiratorischer Insuffizienz
Bei schwerer exazerbierter chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) und kardialem Lungenödem soll frühzeitig eine nichtinvasive Atemunterstützung (NIV beziehungsweise CPAP) eingesetzt werden.
- Bei Patienten mit einer akuten respiratorischen Insuffizienz – vor allem auf dem Boden einer akut hyperkapnisch exazerbierten COPD oder eines kardialen Lungenödems – kann der frühzeitige Einsatz einer nichtinvasiven Atemunterstützung das Krankheitsbild der Patienten rasch stabilisieren und auch die Mortalität senken.
- Hierzu bedarf es jedoch eines kompetenten Behandlungsteams, das die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen und Kontraindikationen der hier einsetzbaren Methoden gut und rasch erkennen kann.
- Diese Kompetenzen sollten möglichst auch im Rettungsdienst und in der Notaufnahme vorhanden sein, um Patienten mit COPD und kardialem Lungenödem möglichst früh behandeln zu können (1).
1. Westhoff M, Neumann P, Geiseler J et al. Erratum: S2k-Leitlinie Nichtinvasive Beatmung als Therapie der akuten respiratorischen Insuffizienz. herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin 2023. DOI: 10.1055/a-2196-9136
Frühe enterale Ernährung bei Intensivpatienten
Bei Intensivpatienten soll frühzeitig mit einer bevorzugt enteralen Ernährung begonnen werden.
- Schwer erkrankte Intensivpatienten bedürfen einer differenzierten Ernährungstherapie, die sowohl den Ernährungsstatus vor Beginn der akuten Erkrankung (insbesondere das Vorliegen einer Mangelernährung), die katabolen Stoffwechselvorgänge in der frühen Akutphase der Erkrankung sowie den gesteigerten Kalorien- und Proteinbedarf in der Rekonvaleszenzphase berücksichtigt.
- Die meisten Patienten sollten bereits in den ersten 24–48 Stunden des Intensivaufenthaltes eine zunächst geringe Menge einer enteral applizierten Sondenkost erhalten, um primär die Integrität der Darmmukosa zu erhalten, sofern keine metabolische Intoleranz oder andere Kontraindikationen (z.B. schwerer Schock, unkontrollierte gastrointestinale Blutung, Ileus) vorliegen.
- Die applizierte Menge sollte dann so weit gesteigert werden, bis der angenommene Kalorien- und Proteinbedarf gedeckt wird.
- Ist dies mit einer enteralen Ernährung nicht möglich, kann insbesondere bei mangelernährten Patienten zusätzlich eine parenterale Ernährung appliziert werden (1–3).
1. Blaser AR, Starkopf J, Alhazzani W et al. Early enteral nutrition in critically ill patients: ESICM clinical practice guidelines. Intensive Care Medicine 2017; 43: 380-398. DOI: 10.1007/s00134-016-4665-0
2. Elke G, Hartl WH, Kreymann KG et al. Clinical Nutrition in Critical Care Medicine - Guideline of the German Society for Nutritional Medicine (DGEM). Clin Nutr ESPEN 2019; 33: 220-275. DOI: 10.1016/j.clnesp.2019.05.002
3. Singer P, Blaser AR, Berger MM et al. ESPEN practical and partially revised guideline: Clinical nutrition in the intensive care unit. Clin Nutr 2023; 42: 1671-1689. DOI: 10.1016/j.clnu.2023.07.011
Frühe Evaluation des Therapieziels bei Intensivpatienten
Bei Intensivpatienten sollen frühzeitig und fortlaufend das Therapieziel, die medizinische Indikation sowie der Patientenwillen evaluiert werden.
- Viele Patienten, die auf einer Intensivstation aufgenommen werden, leiden an sehr schweren und oft multiplen chronischen Erkrankungen und sind zudem noch sehr alt.
- Dementsprechend sind die Alltagsfunktionalität und die Lebensqualität solcher Patienten häufig bereits vor einer intensivmedizinischen Behandlung schon stark eingeschränkt.
- Das medizinische Behandlungsteam muss klären, welche Therapiemaßnahmen in solchen Fällen indiziert sind.
- Diese sollten geeignet sein, ein bestimmtes Therapieziel mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erreichen.
- Therapiemaßnahmen sind somit indiziert, zweifelhaft, nichtindiziert oder sogar kontraindiziert.
- Nichtindizierte respektive kontraindizierte Therapiemaßnahmen werden dem Patienten nicht angeboten.
- Indizierte Therapiemaßnahmen werden dem Patienten oder seinen Stellvertretern ergebnisoffen angeboten.
- Der Patient oder sein Stellvertreter entscheidet über Zustimmung zur oder Ablehnung der Behandlung.
- Gerade bei nichteinwilligungsfähigen Patienten soll frühzeitig geprüft werden, ob das ganze Ausmaß einer intensivmedizinischen Behandlung durch den Patientenwillen gedeckt ist.
- Bis zur endgültigen Therapiezielfindung und Entscheidung kann ein zeitlich begrenzter Therapieversuch in Abstimmung mit dem Patienten und/oder seinen Stellvertretern vereinbart werden.
- Ergibt die Therapiezielfindung, dass die kurative Zielsetzung verlassen wird und ein Sterben zugelassen werden soll, treten palliativmedizinische Maßnahmen zur Symptomkontrolle in den Vordergrund.
- Eine Übertherapie am Lebensende sollte dagegen vermieden werden (1–4).
1. Michalsen A, Neitzke G, Dutzmann J et al. Überversorgung in der Intensivmedizin: erkennen, benennen, vermeiden. Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 2021; 116: 281-294. DOI: 10.1007/s00063-021-00794-4
2. Bundesärztekammer. Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung. Dtsch Arztebl 2011; 108: A-346-348.
3. Jöbges S, Seidlein A-H, Knochel K et al. Zeitlich begrenzter Therapieversuch („time-limited trial“, TLT) auf der Intensivstation. Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 2024; 119: 291-295. DOI: 10.1007/s00063-024-01112-4
4. Janssens U, Burchardi H, Duttge G et al. Therapiezieländerung und Therapiebegrenzung in der Intensivmedizin. Anaesthesist 2013; 62: 47-52. DOI: 10.1007/s00101-012-2126-x
Antibiotikatherapie bei Sepsis
Bei der schweren Sepsis und beim septischen Schock soll rasch eine kalkulierte und hochdosierte Antibiotikatherapie begonnen werden.
- Der septische Schock ist eine der bedeutendsten Todesursachen im Bereich der Notfall- und Intensivmedizin.
- Fortschritte in der frühzeitigen Erkennung und Behandlung einer Sepsis haben zu einer deutlichen Senkung der Mortalität bei Sepsis geführt.
- Die wichtigste Einzelmaßnahme bei der Behandlung der Sepsis ist die frühzeitige Gabe einer kalkulierten Antibiotikatherapie.
- Diese umfasst eine Identifikation des Fokus, eine adäquate Dosierung und andere pharmakologische Aspekte ebenso wie eine Berücksichtigung möglicher Resistenzen.
- Nach Abnahme von Blutkulturen sollte die Antibiotikatherapie unverzüglich, möglichst innerhalb einer Stunde nach Diagnosestellung erfolgen.
- Sobald der Erreger und dessen Resistenzen diagnostiziert sind, sollte eine Anpassung der Antibiotikatherapie gegebenenfalls mit Verschmälerung des Wirkspektrums erfolgen (1–3).
1. Taylor SP, Anderson WE, Beam K et al. The Association Between Antibiotic Delay Intervals and Hospital Mortality Among Patients Treated in the Emergency Department for Suspected Sepsis*. Critical Care Medicine 2021; 49: 741-747. DOI: 10.1097/ccm.0000000000004863
2. Evans L, Rhodes A, Alhazzani W et al. Surviving Sepsis Campaign: International Guidelines for Management of Sepsis and Septic Shock 2021. Critical Care Medicine 2021. DOI: 10.1097/ccm.0000000000005337
3. Brunkhorst FM, Weigand MA, Pletz M et al. S3-Leitlinie Sepsis – Prävention, Diagnose, Therapie und Nachsorge. Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 2020; 115: 178-188. DOI: 10.1007/s00063-020-00671-6
Negativ-Empfehlungen
Kein Kardiales Troponin als Screeningtest in der Notaufnahme
Kardiales Troponin soll in der Notaufnahme nicht als Screening-Untersuchung, sondern nur bei klinischer Indikation wie beispielsweise dem Verdacht auf ein Akutes Koronarsyndrom eingesetzt werden.
- Troponinerhöhungen sind in der Notaufnahme häufig und müssen nicht Ausdruck eines Akuten Koronarsyndroms (ACS) sein (1).
- Epidemiologische Daten zeigen, dass der breite Einsatz der Bestimmung von kardialem Troponin im Notaufnahmesetting (anders als auf spezialisierten Coronary Care Units) zur invasiven Überdiagnostik mit potenziell ungünstigem Outcome beitragen kann (2–4).
- Daher sollte kardiales Troponin nur auf der Basis einer klaren klinischen Verdachtsdiagnose bestimmt und adäquat interpretiert werden (5).
- Neben der häufigsten Verdachtsdiagnose des ACS wird Troponin auch bei akuter Myokarditis, akuter Lungenarterienembolie oder Herzinsuffizienz sinnvoll verwendet.
1. Lee KK, Noaman A, Vaswani A, et al.: Prevalence, determinants, and clinical associations of high-sensitivity cardiac troponin in patients attending emergency departments. The American Journal of Medicine 2019, 132: 110.e118–110.e121.
2. Bandstein N, Wikman A, Ljung R, Holzmann MJ: Survival and resource utilization in patients with chest pain evaluated with cardiac troponin T compared with high-sensitivity cardiac troponin T. International journal of cardiology 2017, 245: 43–8.
3. Nejatian A, Omstedt A, Hoijer J, et al.: Outcomes in patients with chest pain discharged after evaluation using a highsensitivity troponin T assay. Journal of the American College of Cardiology 2017, 69: 2622–30.
4. Eggers KM, Lindahl B, Melki D, Jernberg T: Consequences of implementing a cardiac troponin assay with improved sensitivity at Swedish coronary care units: an analysis from the SWEDEHEART registry. European heart journal 2016, 37:2417–24.
5. Möckel M, Landmesser U: Challenges in using high-sensitive troponin reporting in clinical practice-The important role of appropriate use in the context of clinical evaluation. International journal of cardiology 2017, 245: 61–2.
Bluttransfusion bei Intensivpatienten
Kardiorespiratorisch stabile, nichtblutende Intensivpatienten mit einer Hämoglobin-Konzentration von > 7 g/dl sollen in der Regel keine Bluttransfusionen erhalten.
- Intensivpatienten entwickeln sehr häufig eine Anämie.
- Erythrozytentransfusionen zur Behandlung einer Anämie sind mit einer Reihe möglicher unerwünschter Wirkungen behaftet.
- Stabile, nicht blutende Intensivpatienten ohne Hinweise für eine Sauerstoffminderversorgung profitieren nicht von einer Erythrozytentransfusion jenseits eines Schwellenwertes von 7 g/dl und sollten somit restriktiv verabreicht werden.
- Bei schwerkranken und älteren Patienten insbesondere mit einer eingeschränkten kardiorespiratorischen Reserve oder Patienten mit akuten oder chronischen ischämischen Erkrankungen sollte der Transfusionsschwellenwert aber individuell hinterfragt und ggf. im Sinne einer liberaleren Transfusionsstrategie nach oben modifiziert werden (1–5).
1. Bundesärztekammer. Querschnitts-Leitlinien (BÄK) zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten – Gesamtnovelle 2020. https://www.bundesaerztekammer.de/aerzte/medizin-ethik/wissenschaftlicher-beirat/veroeffentlichungen/haemotherapietransfusionsmedizin/querschnitt-leitlinie/.
2. Ducrocq G, Gonzalez-Juanatey JR, Puymirat E et al. Effect of a Restrictive vs Liberal Blood Transfusion Strategy on Major Cardiovascular Events Among Patients With Acute Myocardial Infarction and Anemia: The REALITY Randomized Clinical Trial. JAMA 2021; 325: 552-560. DOI: 10.1001/jama.2021.0135
3. Cable CA, Razavi SA, Roback JD et al. RBC Transfusion Strategies in the ICU: A Concise Review. Critical Care Medicine 2019; 47: 1637-1644. DOI: 10.1097/ccm.0000000000003985
4. Carson JL, Brooks MM, Hébert PC et al. Restrictive or Liberal Transfusion Strategy in Myocardial Infarction and Anemia. New England Journal of Medicine 2023; 389: 2446-2456. DOI: 10.1056/NEJMoa2307983
5. Vlaar APJ, Dionne JC, de Bruin S et al. Transfusion strategies in bleeding critically ill adults: a clinical practice guideline from the European Society of Intensive Care Medicine. Intensive Care Medicine 2021; 47: 1368-1392. DOI: 10.1007/s00134-021-06531-x
Keine regelhafte tiefe Sedierung bei beatmeten Intensivpatienten
Beatmete Intensivpatienten sollen ohne spezifische Indikation keine tiefe Sedierung erhalten.
- Intensivpatienten sollen möglichst frei von Schmerzen, Angst, Stress und Halluzinationen sein.
- Eine darüber hinausgehende tiefe Sedierung kann sich allerdings negativ auf Mortalität, Intensiv- und Krankenhausverweildauer sowie auf die Dauer der Beatmung auswirken.
- Die Tiefe der Sedierung soll daher regelmäßig mit speziellen validierten Scores (z. B. Richmond Agitation-Sedation-Scale, RASS) reflektiert und dokumentiert werden.
- Bei beatmeten Patienten soll das Sedierungsziel für den individuellen Patienten klar definiert sein und bedarf einer regelmäßigen Adaptation an die veränderliche klinische Situation.
- Dabei soll die Dosis der eingesetzten Sedativa angepasst und möglichst minimiert werden.
- Primäres Ziel ist ein wacher und kooperativer Patient, außer bei speziellen Situationen, in denen eine tiefe Sedierung explizit indiziert erscheint (z.B. chirurgische Indikationen, Hirndrucksymptomatik, Unterdrückung einer akzelerierten Spontanatmung bei schwerem ARDS).
- Darüber hinaus ist ein regelmäßiges Screening, insbesondere auf ein hypoaktives Delir, mittels validierter und möglichst objektiver Assessments und/oder Monitorsysteme obligat (1–2).
1. Devlin JW, Skrobik Y, Gélinas C et al. Clinical Practice Guidelines for the Prevention and Management of Pain, Agitation/Sedation, Delirium, Immobility, and Sleep Disruption in Adult Patients in the ICU. Critical Care Medicine 2018; 46: e825-e873. DOI: 10.1097/ccm.0000000000003299
2. S3-Leitlinie Analgesie, Sedierung und Delirmanagement in der Intensivmedizin (DAS-Leitlinie). https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/001-012 (zugegriffen am 21.05.2024).
Keine Messung des zentralen Venendrucks zur Volumensteuerung
Der zentrale Venendruck (ZVD) soll nicht als primärer Parameter zur Diagnose eines Volumenmangels und Steuerung einer Volumentherapie eingesetzt werden.
- Als wesentlicher Messparameter im Rahmen der „Early goal directed therapy“ besaß der ZVD in der Vergangenheit eine zentrale Rolle bei der Steuerung der Volumentherapie, insbesondere bei der Sepsis. Zahlreiche Studien haben seither jedoch die Aussagekraft und Wertigkeit dieses Parameters infrage gestellt, auch wenn der ZVD in bestimmten klinischen Situationen weiterhin wichtige Informationen zur umfassenden Beurteilung der Hämodynamik beisteuern kann (1–3).
- Insgesamt sollte die Steuerung der Volumentherapie in Zusammenschau der anamnestischen Informationen, der klinischen Untersuchungsbefunde (wie Hydratation von Haut und Schleimhäuten, Hautturgor) und der Ergebnisse apparativer Untersuchungen erfolgen.
- Dabei können sonographische und echokardiographische Verfahren ebenso zum Einsatz kommen wie Methoden des sog. funktionellen hämodynamischen Monitorings (zum Beispiel Messung des Herzzeitvolumens im Rahmen eines Beinhebeversuchs oder einer Volumengabe) oder die Bestimmung dynamischer Vorlastparameter (zum Beispiel Schlagvolumenvariation, Pulsdruckvariation (4–6).
1. Chen CY, Zhou Y, Wang P et al. Elevated central venous pressure is associated with increased mortality and acute kidney injury in critically ill patients: a meta-analysis. Crit Care 2020; 24: 80. DOI: 10.1186/s13054-020-2770-5
2. Eskesen TG, Wetterslev M, Perner A. Systematic review including re-analyses of 1148 individual data sets of central venous pressure as a predictor of fluid responsiveness. Intensive Care Med 2016; 42: 324-332. DOI: 10.1007/s00134-015-4168-4
3. Pesenti A, Slobod D, Magder S. The forgotten relevance of central venous pressure monitoring. Intensive Care Medicine 2023; 49: 868-870. DOI: 10.1007/s00134-023-07101-z
4. Eskesen TG, Wetterslev M, Perner A. Systematic review including re-analyses of 1148 individual data sets of central venous pressure as a predictor of fluid responsiveness. Intensive Care Med 2016; 42: 324-332. DOI: 10.1007/s00134-015-4168-4
5. Lat I, Coopersmith CM, De Backer D et al. The Surviving Sepsis Campaign: Fluid Resuscitation and Vasopressor Therapy Research Priorities in Adult Patients. Critical Care Medicine 2021; 49: 623-635. DOI: 10.1097/ccm.0000000000004864
6. [Anonym]. S3-Leitlinie Intravasale Volumentherapie beim Erwachsenen. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/001-020 (zugegriffen am 21.05.2024).
Dauer der Antibiotikatherapie bei Intensivpatienten
Auf eine unnötig lange Antibiotikatherapie soll verzichtet werden.
- Auch wenn eine frühe Antibiotikagabe bei der akuten Sepsis lebensrettend ist, sollte die notwendige Dauer einer Antibiotikatherapie auf der Intensivstation immer wieder kritisch hinterfragt werden.
-
Antibiotika können in vielen Situationen (z. B. Pneumonie, Urosepsis oder Cholangiosepsis) bei klinisch stabilisierten Intensivpatienten nach maximal 7–10 Tagen wieder abgesetzt werden, ohne den Behandlungserfolg zu gefährden.
- Ein signifikanter Abfall des Procalcitonins stellt dabei eine wichtige Entscheidungshilfe dar.
- Bei bestimmten Infektionen (zum Beispiel Endokarditis, Knocheninfektionen) und/oder bestimmten Erregern (zum Beispiel Staphylokokkus aureus) besteht aber weiterhin die Indikation für eine längerdauernde Antibiotikatherapie (1–5).
1. Brunkhorst FM, Weigand MA, Pletz M et al. S3-Leitlinie Sepsis – Prävention, Diagnose, Therapie und Nachsorge. Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 2020; 115: 178-188. DOI: 10.1007/s00063-020-00671-6
2. de Jong E, van Oers JA, Beishuizen A et al. Efficacy and safety of procalcitonin guidance in reducing the duration of antibiotic treatment in critically ill patients: a randomised, controlled, open-label trial. Lancet Infect Dis 2016; 16: 819-827. DOI: 10.1016/S1473-3099(16)00053-0
3. Martin-Loeches I, Torres A, Nagavci B et al. ERS/ESICM/ESCMID/ALAT guidelines for the management of severe community-acquired pneumonia. Intensive Care Medicine 2023; 49: 615-632. DOI: 10.1007/s00134-023-07033-8
4. Mo Y, Booraphun S, Li AY et al. Individualised, short-course antibiotic treatment versus usual long-course treatment for ventilator-associated pneumonia (REGARD-VAP): a multicentre, individually randomised, open-label, non-inferiority trial. The Lancet Respiratory Medicine 2024; 12: 399-408. DOI: 10.1016/S2213-2600(23)00418-6
5. Papp M, Kiss N, Baka M et al. Procalcitonin-guided antibiotic therapy may shorten length of treatment and may improve survival-a systematic review and meta-analysis. Crit Care 2023; 27: 394. DOI: 10.1186/s13054-023-04677-2
Keine synthetische Kolloide bei Volumenmangel
Synthetische Kolloide wie z. B. Hydroxyethylstärke (HAES) sollen bei Volumenmangelzuständen, insbesondere bei der Sepsis, nicht als Erstlinientherapie im Rahmen der Volumenersatztherapie eingesetzt werden.
- Ein Volumenmangel kann entweder mit kristalloiden oder mit kolloidalen Lösungen behandelt werden.
- Für die bislang häufig eingesetzten synthetischen Kolloide wie HAES konnte in klinischen Studien bislang keine eindeutige Überlegenheit gegenüber kristalloiden Lösungen gezeigt werden.
- Speziell für den Einsatz in der Sepsis wurde HAES als Konsequenz aus einigen Studien sogar die Zulassung entzogen, da eine erhöhte Mortalität und eine erhöhte Rate an Nierenversagen beobachtet wurde.
- Daher gelten synthetische Kolloide bei einem Großteil von Volumenmangelzuständen als verzichtbar und HAES bei der Sepsis sogar als kontraindiziert.
- Stattdessen sollten primär kristalloide Lösungen verwendet werden.
- Besonders bei Gabe von größeren Mengen und bei Vorliegen einer metabolischen Azidose sollten bevorzugt balancierte Elektrolytlösungen und keine 0,9%ige NaCl-Lösung eingesetzt werden.
- Erscheint dies nicht ausreichend, kann insbesondere im septischen Schock die Gabe des natürlichen Kolloids Albumin erwogen werden (1–8).
1. Brunkhorst FM, Weigand MA, Pletz M et al. S3-Leitlinie Sepsis – Prävention, Diagnose, Therapie und Nachsorge. Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 2020; 115: 178-188. DOI: 10.1007/s00063-020-00671-6
2. Lat I, Coopersmith CM, De Backer D et al. The Surviving Sepsis Campaign: Fluid Resuscitation and Vasopressor Therapy Research Priorities in Adult Patients. Critical Care Medicine 2021; 49: 623-635. DOI: 10.1097/ccm.0000000000004864
3. [Anonym]. S3-Leitlinie Intravasale Volumentherapie beim Erwachsenen. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/001-020 (zugegriffen am 21.05.2024).
4. Brown RM, Wang L, Coston TD et al. Balanced Crystalloids versus Saline in Sepsis. A Secondary Analysis of the SMART Clinical Trial. American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine 2019; 200: 1487-1495. DOI: 10.1164/rccm.201903-0557OC
5. Zampieri FG, Machado FR, Biondi RS et al. Effect of Intravenous Fluid Treatment With a Balanced Solution vs 0.9% Saline Solution on Mortality in Critically Ill Patients: The BaSICS Randomized Clinical Trial. Jama 2021; 326: 1-12. DOI: 10.1001/jama.2021.11684
6. Zampieri FG, Machado FR, Veiga VC et al. Determinants of fluid use and the association between volume of fluid used and effect of balanced solutions on mortality in critically ill patients: a secondary analysis of the BaSICS trial. Intensive Care Medicine 2024; 50: 79-89. DOI: 10.1007/s00134-023-07264-9
7. Zampieri FG, Bagshaw SM, Semler MW. Fluid Therapy for Critically Ill Adults With Sepsis: A Review. Jama 2023; 329: 1967-1980. DOI: 10.1001/jama.2023.7560
8. Hammond NE, Zampieri FG, Tanna GLD et al. Balanced Crystalloids versus Saline in Critically Ill Adults — A Systematic Review with Meta-Analysis. NEJM Evidence 2022; 1: EVIDoa2100010. DOI: doi:10.1056/EVIDoa2100010