Einleitung
Transfusionen sind ein unverzichtbarer Bestandteil der modernen Medizin und retten täglich Leben in den unterschiedlichsten klinischen Situationen. Doch obwohl sie so wirksam sind, ist die Transfusion von Blutprodukten wegen möglicher Unverträglichkeitsreaktionen und Übertragung von Infektionskrankheiten mit besonderen Risiken assoziiert. Daher sind spezielle Vorsichtsmaßnahmen erforderlich und teils sogar gesetzlich vorgeschrieben. Nach diesem Kapitel weißt du:
- Was die Funktion des Blutes ist und aus welchen Bestandteilen es sich zusammensetzt
- Welche Blutprodukte es gibt und wann sie eingesetzt werden
- Welche Pflichten und Gesetze es rund um das Thema Transfusionen zu beachten gilt
- Wie du eine Transfusion sicher vorbereitest, durchführst und nachbereitest
- Was in Notfällen, die im Zusammenhang mit Transfusionen auftreten können, zu tun ist
Grundlagen: Das Fundament der Transfusionssicherheit
Um die Risiken einer Transfusion verstehen und die Sicherheitsmaßnahmen korrekt anwenden zu können, ist ein grundlegendes Wissen über die Zusammensetzung und die Eigenschaften von Blut unerlässlich.
Physiologische Grundlagen
- Hauptaufgaben des Blutes
- Transport: Von Sauerstoff, Kohlendioxid, Nährstoffen, Hormonen und Stoffwechselprodukten
- Wärmeregulation: Verteilung der Körperwärme
- Abwehr: Transport von Leukozyten und Antikörpern zur Infektionsbekämpfung
- Blutstillung: Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten sorgen für den Wundverschluss
- Pufferfunktion: Regulation des pH-Wertes
- Blutbestandteile: Blut besteht zu ca. 55% aus flüssigem Blutplasma und zu ca. 45% aus zellulären Anteilen
- Blutplasma: Besteht hauptsächlich aus Wasser, Proteinen (bspw. Albumin, Globuline, Fibrinogen), Elektrolyten und Nährstoffen
- Zelluläre Bestandteile:
- Erythrozyten (rote Blutkörperchen): Verantwortlich für den Sauerstofftransport
- Leukozyten (weiße Blutkörperchen): Teil des Immunsystems
- Thrombozyten (Blutplättchen): Essenziell für die Blutgerinnung und damit für den Wundverschluss
- Blutvolumen: Ca. 5–6 L Blut pro Person (abhängig von Körpergröße)
- Normovolämie (normales Blutvolumen)
- Hypervolämie
- Hypovolämie
Kompatibilität: Warum Blut nicht gleich Blut ist
Auf der Oberfläche unserer roten Blutkörperchen befinden sich Merkmale, die sog. Antigene. Unser Immunsystem bildet Antikörper gegen alle fremden Antigene. Kommt es zum Kontakt mit unpassendem Blut, greifen diese Antikörper die fremden Blutzellen an. Dies führt zu einer lebensgefährlichen Abwehrreaktion (Hämolyse). Die zwei wichtigsten Systeme sind das AB0- und das Rhesus-System.
AB0-System und Rhesus-System
Kompatibilität: AB0-System und Rhesus-System | ||||
---|---|---|---|---|
Häufigkeit | AB0-Antigen auf Erythrozyten | Antikörper im Plasma | Kompatible Spenderblutgruppen | |
Blutgruppe 0 | Ca. 40% | Nicht vorhanden | Anti-A- und -B-Antikörper | 0 |
Blutgruppe A | Ca. 45% | A-Antigen | Anti-B-Antikörper | A, 0 |
Blutgruppe B | Ca. 10% | B-Antigen | Anti-A-Antikörper | B, 0 |
Blutgruppe AB | Ca. 5% | AB-Antigen | Keine Anti-A- oder -B-Antikörper | AB, A, B, 0 |
Rhesus-negativ | Ca. 15% | — | Anti-Rhesusfaktor-Antikörper bei vorheriger Sensibilisierung | |
Rhesus-positiv | Ca. 85% | — | Keine Anti-Rhesusfaktor-Antikörper |
Blutprodukte
Blutprodukte: Die Hauptakteure im klinischen Alltag
Erythrozytenkonzentrate (EK)
- Standard: Leukozytendepletiertes Erythrozytenkonzentrat
- Besondere EK-Formen: Müssen speziell angefordert werden
- Gewaschenes EK: Mit komplett entferntem Restplasma bei bekannten schweren allergischen Reaktionen
- Bestrahltes EK: Mit 30 Gy bestrahlt, zur Verhinderung einer transfusionsassoziierten Graft-versus-Host-Reaktion bei stark immunsupprimierten Patient:innen
- Kryokonserviertes EK: Tiefgefrorenes EK für Patient:innen mit sehr seltenen Blutgruppen oder multiplen Antikörpern
- Indikation: Behandlung einer symptomatischen Anämie (Blutarmut)
- Zur Verbesserung des Sauerstofftransports
- Grenzwerte sind nicht starr, orientieren sich aber oft an einem Hb <7 g/dL bei stabilen Patient:innen oder <8 g/dL bei Patient:innen mit kardiovaskulären Erkrankungen
- Zu berücksichtigen sind
- Ursache und Dauer der Anämie
- Umfang und Geschwindigkeit des Blutverlusts
- Hypo- oder Hypervolämie
- Individuelle Kompensationsfähigkeit (abhängig von Alter, Vorerkrankungen, die die individuelle Kompensationsfähigkeit schwächen und aktuellem klinischen Zustand)
- Klinische Zeichen einer anämischen Hypoxie
- Effekt: 1 EK hebt den Hb-Wert bei einem Erwachsenen um etwa 1 g/dL
- Kompatibilität: AB0- und Rhesus-Kompatibilität müssen streng beachtet werden!
- Blutgruppe 0 negativ gilt als Universalspender für EKs
- Lagerung: Bei 4 ± 2 °C, Transport bei 1–10 °C, je nach Herstellerangaben und Herstellungsverfahren 28 bis 49 Tage haltbar
Thrombozytenkonzentrate (TK)
- Standard: Gepooltes TK (aus den Spenden von 4 Blutspender:innen) oder Apherese-TK (von Einzelspender:in)
- Indikation: Zur Vorbeugung oder Behandlung von Blutungen
- Prophylaktisch oft bei einer Thrombozytenzahl von <10/nL
- Effekt: Ein Thrombozytenkonzentrat hebt die Thrombozytenanzahl um ca. 20.000–40.000/μL
- Kompatibilität: Sollte AB0- und Rhesus-gleich sein
- Lagerung: Bei Raumtemperatur (22 ± 2 °C) unter ständiger Bewegung (Agitation) ca. 4–5 Tage haltbar
Plasmakonzentrate (FFP/GFP)
- Standard: Das gängigste Präparat ist das Fresh Frozen Plasma (FFP, gefrorenes Frischplasma)
- Fresh Frozen Plasma (FFP): Nach der Separation von Plasma und Zelldepletion bei <-30 °C tiefgefrorenes Plasma mit einer Haltbarkeit von 36 Monaten, das nach Anforderung speziell aufgetaut und herausgegeben werden muss
- Gefriergetrocknetes (lyophilisiertes) Plasma (LHP): Leukozyten- und zellreduziertes Trockenpulver mit einer Haltbarkeit von 15 Monaten, das bei Raumtemperatur gelagert werden kann und vor der Transfusion mit Wasser zu Injektionszwecken aufgelöst und verflüssigt wird
- Weitere Plasmakonzentrate: Wurden speziell verarbeitet, um Pathogene zu reduzieren und das Infektionsrisiko zu senken
- Verarbeitung mithilfe von
- Methylenblau und Licht
- Amotosalen/UVA-Behandlung
- Detergenzien
- Verarbeitung mithilfe von
- Indikation: Ersatz von Plasma (im Rahmen von Massivtransfusionen), Ersatz von Gerinnungsfaktoren
- Komplexe Koagulopathien
- Lebensbedrohliche Massivblutung
- Zu erwartende lebensbedrohliche Blutung bei schwerer Koagulopathie und bevorstehendem Eingriff
- Disseminierte intravasale Gerinnung
- Mangel der Gerinnungsfaktoren V, XI
- Plasmapherese (Austauschtransfusion), bspw. bei
- Bisher keine Indikation zur Volumenersatztherapie in Deutschland
- Komplexe Koagulopathien
- Kompatibilität
- AB0-Kompatibilität muss beachtet werden
- Rhesus-Kompatibilität ist i.d.R. nicht relevant
- Lagerung
Die Kompatibilitätsregeln sind hier „umgekehrt“ zu EKs: Blutgruppe AB ist Universalspender, da das Plasma keine Anti-A- oder Anti-B-Antikörper enthält!
Eine Anwendung von Plasmakonzentraten ausschließlich zur Volumensubstitution ist nicht zulässig!
Weitere Blutprodukte und Plasmaderivate
Granulozytenkonzentrate
- Indikation: Seltene Anwendung bei Patient:innen mit schwerer Neutropenie und lebensbedrohlichen, therapieresistenten bakteriellen oder mykotischen Infektionen, bspw.
- Granulozytopenie bei Sepsis
- Septische Granulomatose
- Kompatibilität: Sollte AB0- und Rhesus-gleich sein
- Lagerung: Bei 22 ± 2 °C max. 24 h
Faktorenkonzentrate
- Prothrombinkonzentrat (PPSB): Enthält die Vitamin-K-abhängige Faktoren II, VII, IX und X
- Indikation
- Schnelle Aufhebung der Wirkung von Vitamin-K-Antagonisten (bspw. Marcumar) bei akuter Blutung oder vor einer Not-OP
- Schwere Leberschäden
- Verbrauchs-, Verlust- oder Verdünnungskoagulopathie
- Angeborener Mangel an Prothrombinkomplexfaktoren
- Kontraindikationen
- Hohes Thromboembolierisiko
- Kürzlich aufgetretene Thromboembolie
- Disseminierte intravasale Gerinnung (DIC)
- Heparininduzierte Thrombozytopenie Typ II
- Lagerung: Je nach Herstellerangaben bei 2–8 °C (Kühlschrank) oder bis 25 °C (Raumtemperatur)
- Gebrauchsfertige Lösung entweder sofort verabreichen oder
- Für 3–24 h haltbar (je nach Herstellerangaben)
- Indikation
- Fibrinogenkonzentrat
- Indikation: Gezielte Gabe bei einem Mangel an Fibrinogen, oft im Rahmen von Massivblutungen
- Kontraindikationen
- Lagerung: Bei +4–8 °C, abhängig vom Produkt 2–5 Jahre haltbar
- Antithrombin: Gabe bei angeborenem oder erworbenem Mangel, um die Wirkung von Heparin zu ermöglichen oder zu verstärken
Immunglobulin- und Albuminkonzentrate
- Immunglobuline: Enthalten Antikörper
- Indikation
- Zur Substitution bei Antikörpermangelsyndromen
- Zur Behandlung (Immunmodulation) von Autoimmunerkrankungen
- Anti-D-Ig-Prophylaxe Rhesus-negativer Mütter nach Geburt von Rhesus-positivem Kind
- Indikation
- Humanalbumin
- Indikation
- Als Volumenersatzmittel bei Hypovolämie
- Proteinkorrektur bei schweren Leber- oder Nierenerkrankungen mit ausgeprägtem Albuminmangel (Hypoalbuminämie)
- Indikation
Gesetze und Zuständigkeiten
Gesetzliche Rahmenbedingungen und Verantwortlichkeiten
- Dokumentationspflicht nach § 14 des Transfusionsgesetzes
- Gesetz schreibt lückenlose Dokumentation vor, um die sichere Zuordnung und Rückverfolgung von Spender:innen zu Empfänger:innen zu gewährleisten
- Aufbewahrungsfrist der Dokumentation beträgt mind. 30 Jahre
- Inhalt der Dokumentation
- Patientenidentifikation
- Datum/Uhrzeit
- Chargennummer
- Aufklärung
- Ergebnis der Blutgruppenbestimmung und des Bedside-Tests
- (Un‑)Verträglichkeit der Transfusion
- Richtlinien: Hämotherapie-Richtlinien als verbindlicher Standard
- Herausgeber: Bundesärztekammer (BÄK) in Abstimmung mit dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI)
- Basis: Aktueller Stand von Medizin und Wissenschaft
- Zentrale Dokumente: „Richtlinie zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Richtlinie Hämotherapie)“ und „Querschnitts-Leitlinien zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten“
- Regelungsbereiche
- Gewinnung und Herstellung von Blutprodukten
- Anwendung inkl. Indikationsstellung und Dokumentation
- Testung auf Infektionserreger
- Anforderungen an Rückstellproben
- Qualifikation und Aufgaben des beteiligten Personals
- Umgang mit nicht verwendeten Blutprodukten
- Regelungen für Eigenblutverfahren (autologe Hämotherapie)
- Qualitätssicherung (QS) in der Praxis
- Jede Einrichtung muss ein System zur Qualitätssicherung etablieren
- Verbindliche Festlegung in schriftlichen Dienstanweisungen
- Inhalte des Qualitätsmanagement-Handbuchs
- Genaue Beschreibung aller organisatorischen Abläufe
- Definition von Verantwortlichkeiten für Anforderung, Lagerung, Transport und Gabe
- Festlegung der Anforderungen an das Personal
- Definierte Rollen und Aufgaben
- Regelmäßige Kontrolle und Dokumentation aller sicherheitsrelevanten Prozesse
- Überwachung von Lagertemperaturen, Transportzeiten und korrekter Handhabung
- Zuständigkeiten
- Indikationsstellung, Aufklärung und Anordnung sind rein ärztliche Aufgaben
- Einige Schritte der Vorbereitung (bspw. Abholung oder Richten) können an qualifiziertes Pflegepersonal delegiert werden
- Gesamtverantwortung bleibt bei ärztlichem Personal
Vorbereitung von Transfusionen
Autologe Transfusion
Moderne Medizin zielt darauf ab, Fremdbluttransfusionen zu vermeiden (Patient Blood Management). Eine Möglichkeit hierzu sind autologe Verfahren, bei denen die Patient:innen zuvor abgenommenes eigenes Blut erhalten.
- Definition: Verfahren, bei denen Patient:innen mit eigenen Blutprodukten behandelt werden
- Normovolämische Hämodilution
- Entnahme von Vollblut direkt vor einem Eingriff
- Volumenersatz durch Infusionslösungen und Rückgabe des Eigenbluts bei Bedarf während der OP
- Präoperative Eigenblutspende: Geplante Blutspende(n) der Patient:innen Wochen vor einem elektiven Eingriff
- Prinzip
- Entnahme von Eigenblut vor einer Operation
- Lagerung der Blutprodukte und Retransfusion bei Bedarf
- Voraussetzungen
- Umfassende Aufklärung der Patient:innen
- Nutzen und Risiko abwägen sowie Hinweis auf Fremdblut als Alternative geben
- Ärztliche Prüfung der Eignung in Anlehnung an Kriterien für Fremdblutspender:innen
- Spendeprogramm
- Intensivierte Spenden mit mehreren Entnahmen in kurzer Zeit
- Führt zu stärkerem Hämatokritabfall und stimuliert die körpereigene Blutneubildung
- Sicherheit und Lagerung
- Es gelten die gleichen Entnahmerisiken wie bei der Fremdblutspende
- Bei 2–6 °C und getrennt von Fremdblutkonserven lagern
- Zwingende Identitätsprüfung vor Retransfusion durchzuführen
- Durchführung eines AB0-Identitätstests vor Retransfusion erforderlich
- Prinzip
- Maschinelle Autotransfusion (MAT, „Cell Saver“): Intra- oder postoperativ aufgefangenes Wundblut wird gesammelt, maschinell aufbereitet (gewaschen) und als Erythrozytensuspension retransfundiert
Auch autologe Transfusionen unterliegen denselben strengen Richtlinien bzgl. Gewinnung und Verabreichung wie die Fremdbluttransfusion!
Anforderungen und Laboruntersuchungen bei allen Transfusionen
- Anforderung: Erfolgt durch ärztliches Personal mit allen relevanten Patientendaten, bspw.
- Diagnose
- Schwangerschaftsanamnese
- Transfusionsanamnese
- Besondere Medikamente
- Identitätssicherung und Blutentnahme: Kritischer Schritt zur Vermeidung von Verwechslungen
- Blutröhrchen müssen vor der Abnahme eindeutig beschriftet werden
- Identität des Patienten bzw. der Patientin muss zweifelsfrei sichergestellt werden
- Blutentnahme kann durch Pflegefachkraft erfolgen
- Serologische Verträglichkeitsprobe: Vor jeder Transfusion durchzuführen, um eine Unverträglichkeit auszuschließen
- Blutgruppenbestimmung: Bestimmung der Blutgruppe im AB0- und Rhesus-System
- Kreuzprobe: Testet die Kompatibilität von Empfängerserum und Spendererythrozyten (Major-Kompatibilität)
- Antikörpersuchtest: Sucht nach irregulären, klinisch relevanten Antikörpern im Blut des Empfängers bzw. der Empfängerin
- Zeitlich begrenzte Gültigkeit: Kreuzprobe und Antikörpertest sind 3 Tage gültig
Abholung und Prüfung
- Abholung: Die Abholung aus dem Labor/Blutdepot ist delegierbar
- Kopie des Anforderungsscheins muss mitgenommen werden
- Produkt wird mit einem Begleitschein ausgehändigt
- Prüfung des Produkts: Sollte im 4-Augen-Prinzip kontrolliert werden
- Daten (Patient:in, Charge, Blutgruppe)
- Verfallsdatum
- Beutel selbst (Unversehrtheit, Gerinnsel, Verfärbungen)
Am Patientenbett: Der kritische Moment
Die unmittelbare Vorbereitung und der Beginn der Transfusion sind die risikoreichsten Phasen. Sie sind für die Sicherheit der Patient:innen am entscheidendsten.
Die letzte Sicherheitsbarriere: Bedside-Test
Der Bedside-Test prüft, ob die Empfänger-Antigene des Patienten oder der Patientin der deklarierten Blutgruppe entsprechen. Dies ist die letzte Möglichkeit, einen hämolytischen Transfusionszwischenfall aufgrund einer AB0-Unverträglichkeit zu verhindern.
- Indikation: Unmittelbar vor Transfusion ist vom transfundierenden ärztlichen Personal der Bedside-Test durchzuführen und das Ergebnis schriftlich zu dokumentieren
- Durchführung: Injektion von Patientenblut in die beiden Testfelder „Anti-A“ und „Anti-B“ (evtl. zusätzlich Konservenblut gesondert testen)
- Ergebnis: Agglutination (Verklumpung) eines Testfeldes → Nachweis des betreffenden Antigens
Bedside-Test | ||
---|---|---|
Blutgruppe | Testfelder | |
Anti-A | Anti-B | |
0 | Negativ | Negativ |
A | Positiv | Negativ |
B | Negativ | Positiv |
AB | Positiv | Positiv |
„What you see is what you get!“ (Verklumpung im Anti-A-Testfeld → Patient:in hat Blutgruppe A; Verklumpung im Anti-B-Testfeld → Patient:in hat Blutgruppe B etc.)
Richten der Transfusion
- Materialien
- Händedesinfektionsmittel
- Oberflächendesinfektionsmittel
- Einmalhandschuhe
- Normiertes Transfusionsbesteck mit Standardfilter (Porengröße 170–230 μm)
- Infusionsständer
- Abwurfbehälter
- Vorgehen
- Arbeitsfläche desinfizieren
- Hände desinfizieren
- Handschuhe anziehen
- Transfusionsbesteck öffnen
- Kunststoffversiegelung entfernen
- Durchstechöffnung hygienisch freimachen
- Ggf. Sprühdesinfektion der Durchstechöffnung
- Konservenbeutel flach auf Arbeitsfläche legen und Besteck kontaminationsfrei einführen
- Tropfkammer leicht anheben und durch Druck auf Konservenbeutel bis zur Hälfte befüllen
- Rollenklemme schließen und Konserve an Infusionsständer hängen
- Ggf. Flüssigkeitsspiegel in Tropfenkammer durch Zusammendrücken nachbessern
- Rollenklemme öffnen und System luftfrei füllen
- Blutprodukt mit Uhrzeit beschriften
- Ärztliches Personal informieren
- Kontrolle!
- Lieferschein mit Konserve vergleichen
- Auf Verfallsdatum, Veränderungen des Blutes und Beschädigungen achten
Einmal eröffnete EKs müssen innerhalb von 6 h verbraucht werden!
Vorbereitung der Patient:innen
- Venöser Zugang
- Gut funktionierender periphervenöser Zugang ideal oder
- Separater Zugangskanal (nur für Transfusion) am ZVK
- Über diesen Zugang keine anderen Medikamente oder Lösungen (außer 0,9% NaCl) laufen lassen
Durchführung und Überwachung
Die Durchführung der Transfusion ist eine ärztliche Tätigkeit!
Überwachung
- Geschwindigkeit: Angepasst an den klinischen Zustand
- Richtwert für 1 EK ca. 30–60 min
- Bei Risikopatient:innen (bspw. Herzinsuffizienz) langsamer
- Druckinfusion: Bei Massivblutungen kann eine schnelle Gabe unter Druck notwendig sein
- Birgt Risiken wie Luftembolien und Hämolyse
- Erfordert spezielle Geräte und Überwachung
- Überwachung: Besonders engmaschig in den ersten 10–15 min
- Vitalzeichenkontrolle vor, während und nach der Transfusion
- Hautveränderungen, bspw. Nesselsucht oder Rötung
- Patient:in auffordern, sich bei Symptomen sofort zu melden
- Ruftaste in Reichweite legen!
Spezialfall: Massivtransfusion
Die Massivtransfusion ist ein standardisiertes Verfahren zur Behandlung von Patient:innen mit lebensbedrohlichen Blutungen. Sie erfordert eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit und ein schnelles, koordiniertes Vorgehen.
- Indikation: Bei schwerster akuter Blutung mit hämorrhagischem Schock
- TASH-Score: Scoring-System zur Abschätzung der Wahrscheinlichkeit einer Massivtransfusion bei Traumapatient:innen anhand von Vitalparametern, Laborwerten und Verletzungsmustern
- Ziele
- Schnelle Blutstillung
- Korrektur der Koagulopathie
- Stabilisierung des Kreislaufs
- Vermeidung der „tödlichen Trias“ aus Azidose, Hypothermie und Gerinnungsstörung
- Vorgehen: Erfolgt nach standardisiertem Protokoll (Massivtransfusionsprotokoll)
- Oft mit festen Transfusionspaketen aus EKs, Plasma und Thrombozyten im Verhältnis 1:1:1 oder 2:1:1
- Im Notfall wird auf Universalblutprodukte (EKs: 0 negativ, Plasma: AB) zurückgegriffen
Abstecken der Transfusion und Nachsorge
Entfernen/Abstecken
- Rollenklemme schließen und Konnektionsstelle desinfizieren
- Einmalhandschuhe anziehen
- Transfusionsschlauch von venösem Zugang entfernen
- Venösen Zugang mit physiologischer Kochsalzlösung spülen und steril verschließen
- Leeren Transfusionsbeutel mit Restblut steril verschließen
- Transfusionsbeutel nach Klinikstandard beschriften, bspw. Name und Uhrzeit
- Handschuhe ablegen
- Hände desinfizieren
Nachsorge
- Rückstellprobe: Leerer Transfusionsbeutel mit Restblut wird steril verschlossen für 24 h bei 4 ± 2 °C aufbewahrt
- Nachbeobachtung: Patient:in wird für mind. 30 min nach Transfusionsende überwacht
- Dokumentation: Pflegerische Dokumentation in der Patientenakte
Ärztliche Dokumentation
- Folgende Punkte müssen dokumentiert werden
- Indikation und Diagnostik: Medizinische Begründung für die Transfusion
- Aufklärung und Einwilligung: Erfolgte Aufklärung des Patienten bzw. der Patientin sowie schriftliche Einverständniserklärung
- Ergebnis des Bedside-Tests: Das Resultat des AB0-Identitätstests
- Produktdaten: Für jedes einzelne Blutprodukt sind folgende Angaben zu erfassen
- Identifikationsnummer (Konservennummer)
- Chargenbezeichnung
- Genaue Bezeichnung des Präparats
- Name des pharmazeutischen Herstellers
- Menge und Konzentration
- Durchführungsdetails
- Datum, Start- und Endzeitpunkt
- Gesamtlaufzeit
- Name des transfundierenden Arztes bzw. der transfundierenden Ärztin
- Verträglichkeit: Durch ärztliche Unterschrift auf Transfusionsprotokoll
- Unerwünschte Ereignisse: Eventuelle Nebenwirkungen oder Zwischenfälle mit Datum, Uhrzeit und ergriffenen Maßnahmen
- Transfusionserfolg: Feststellung des therapeutischen Erfolgs, bspw. klinische Besserung
- Nachweis und Verbleib
- Kopie des Protokolls wird an das Blutdepot weitergeleitet
- Verbleib nicht genutzter Produkte wird dokumentiert
Notfallmanagement bei Transfusionszwischenfällen
Ein Transfusionszwischenfall ist ein medizinischer Notfall, der schnelles und korrektes Handeln erfordert.
Sofortmaßnahmen
Bei jedem Verdacht auf einen Transfusionszwischenfall gilt:
- STOPP! Transfusion sofort unterbrechen!
- ARZT informieren! Unverzüglich!
- ZUGANG sichern! Venösen Zugang mit NaCl 0,9% offen halten!
- STABILISIEREN! Vitalzeichen kontrollieren, Patient:in beruhigen!
- ASSISTIEREN und ASSERVIEREN! Ärztliches Personal unterstützen, Blutkonserve sicherstellen!
Übersicht der Transfusionszwischenfälle
Akute Transfusionsreaktionen (treten während oder bis zu 24 h nach der Transfusion auf)
- Allergische und anaphylaktische Reaktionen (ATR): Häufigste Reaktion
- Symptome: Leichte Urtikaria (Nesselsucht) und Juckreiz bis hin zum lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock
- Hämolytische Transfusionsreaktion vom Soforttyp: Lebensbedrohlich!
- Meist durch eine AB0-Inkompatibilität (Verwechslung)
- Führt zur Zerstörung der transfundierten Erythrozyten
- Symptome: Schock, Dyspnoe, Fieber, Schüttelfrost, Rückenschmerzen und akutes Nierenversagen
- Febrile, nicht-hämolytische Transfusionsreaktion (FNHTR)
- Häufige Reaktion mit Fieber (>1°C Anstieg) und Schüttelfrost
- Ausgelöst durch Antikörper gegen Leukozytenreste oder durch Zytokine in der Konserve
- Transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz (TRALI)
- Seltene, aber schwere Reaktion
- Symptome: Plötzliche, akute Dyspnoe und beidseitige Lungeninfiltrate (Lungenödem ohne Herzinsuffizienz)
- Transfusionsassoziierte Kreislaufüberlastung (TACO): Volumenüberladung
- Insb. bei Patient:innen mit kardialer Vorbelastung
- Symptome: Dyspnoe, Husten, Lungenödem und Blutdruckanstieg
- Bakterielle Kontamination / septische Reaktion: Lebensbedrohlich
- Durch mit Bakterien verunreinigte Blutprodukte (v.a. Thrombozytenkonzentrate)
- Symptome: Hohes Fieber, Schüttelfrost und septischer Schock
- Nicht-immunologische Komplikationen
- Hypothermie: Bei schneller Gabe großer Mengen gekühlter Blutprodukte
- Elektrolytstörungen: Hyperkaliämie (durch Hämolyse in älteren Konserven) und Hypokalzämie (durch Citrat-Bindung bei Massivtransfusionen)
- Vasospasmus durch Kältereiz: Schmerzhafte Reaktion an der Infusionsstelle durch zu kalte oder zu schnelle Gabe
Verzögerte Transfusionsreaktionen (treten Tage bis Wochen nach der Transfusion auf)
- Verzögerte hämolytische Transfusionsreaktion
- Langsamere Zerstörung der transfundierten Erythrozyten durch neu gebildete Antikörper
- Leichtes Fieber, Ikterus (Gelbsucht) und unerklärter Abfall des Hämoglobinwertes
- Transfusionsassoziierte Graft-versus-Host-Reaktion (TA-GvHD): Sehr seltene, aber meist tödliche Reaktion bei stark immunsupprimierten Patient:innen
- Spender-Lymphozyten greifen den Körper des Empfängers bzw. der Empfängerin an
- Fieber, Hautausschlag, Durchfall und Leberversagen
- Posttransfusionelle Purpura (PTP): Seltener, aber schwerer Abfall der patienteneigenen Thrombozyten
- Ca. 1–2 Wochen nach der Transfusion
- Kann zu schweren Blutungen führen
- Transfusionshämosiderose: Eisenüberladung des Körpers bei Patient:innen, die regelmäßig und über lange Zeit Bluttransfusionen erhalten
- Transfusionsassoziierte Immunmodulation: Subtile Beeinflussung des Immunsystems des Empfängers bzw. der Empfängerin
- Übertragung von Infektionskrankheiten: Heute sehr selten durch strenge Spender-Screenings, aber prinzipiell möglich (bspw. Hepatitis B/C, HIV, CMV, Parasiten)